Seltene Erkrankungen der Leber
Ein Patienteninformationstag an der Charité, Campus Virchow Klinikum war Ende Oktober die erste Veranstaltung seit Beginn der Corona-Pandemie, die wir wieder als Live-Veranstaltung anbieten konnten – und leider auch die vorerst letzte. Charité-Experten informierten zu seltenen Lebererkrankungen sowie über die seltene Erkrankung Hepatische Porphyrie. Weitere geplante Veranstaltungen mussten wir aufgrund der aktuellen Corona-Lage leider bis auf Weiteres absagen.
Nach einer kurzen Einführung von Prof. Frank Tacke, Klinikdirektor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité und Sabine von Wegerer, Vereinsvorsitzende des Berliner Leberring e. V. begannen die Vorträge.
Keine Spezialdiät für Leberkranke
PD Dr. Münevver Demir, Oberärztin in der Hepatologie, behandelte im ersten Vortrag des Tages ein Thema, das auch häufig in der Beratung thematisiert wird: „Ernährung bei Lebererkrankungen“. Ihre wichtigste Botschaft: Es gibt keine spezielle Leberdiät bei chronischen Lebererkrankungen.
Nur Patienten mit einer dekompensierten Leberzirrhose sollten bei ihrer Ernährung auf bestimmte Aspekte achten. Dr. Demir empfiehlt ihnen eine kalorienreiche, eiweißreiche Diät, da durch es durch die Erkrankung zu einem erhöhten Eiweißabbau und einem gestörten Fettstoffwechsel kommt. Außerdem sollten Betroffene wenig trinken und ihren Salzkonsum einschränken. Wichtig sei eine späte Mahlzeit vor dem Schlafengehen, damit es nachts nicht zu einem Hungerstoffwechsel kommt. Bei Leberzirrhose sollte auf Alkohol komplett verzichtet werden.
Empfehlenswert: mediterrane Kost und Bewegung
Ansonsten rät Dr. Demir bei chronischen Lebererkrankungen zu einer fettarmen mediterranen Diät, die auch Gesunden empfohlen wird, am besten kombiniert mit dreimal wöchentlich 60 Minuten Sport. Wer täglich drei bis vier Tassen grünen Tee trinkt, kann den Fettabbau in der Leber zusätzlich unterstützen. Übergewicht sollte abgebaut bzw. vermieden werden, denn eine Fettleber kann eine bereits vorhandene andere Lebererkankung beschleunigen, so Dr. Demir.
Rauchen kann bei einer chronischen Lebererkrankung die Entstehung von Leberkrebs fördern, betonte die Expertin. Regelmäßiger Kaffeekonsum wirkt sich dagegen positiv auf die Leber aus. Dabei schadet Milch im Kaffee nicht, auf Zucker sollte man allerdings besser verzichten.
Positiv wirken auch Polyphenole, die z. B. in Artischocken enthalten sind. Nahrungsergänzungsmittel sollte man besser weglassen, riet Dr. Demir. Sie enthalten Zusatzstoffe wie zum Beispiel Konservierungsstoffe und müssen keine strengen Prüfungen durchlaufen wie Arzneimittel.
Die Seltenen: autoimmune Lebererkrankungen
Der stellvertretende Klinikleiter PD Dr. Christoph Jochum gab im zweiten Vortrag einen Überblick über die autoimmunen und cholestatischen Lebererkrankungen und ihre Behandlung. Eine Primär biliäre Cholangitis (PBC) kann diagnostiziert werden, wenn die die Alkalische Phosphatase länger als 24 Wochen über dem 1,5-fachen des oberen Normwerts liegt, so Dr. Jochum. Die Erkrankung äußert sich z. B. durch Juckreiz, Müdigkeit, Hypercholesterinämie und dem Sicca-Syndrom. Standardbehandlung ist die Ursodeoxycholsäure (UDCA), bei frühem Therapiebeginn haben die Patienten damit eine fast normale Lebenserwartung. Bei Nichtansprechen kann Obeticholsäure gegeben werden. Auch Bezafibrat kann mit UDCA kombiniert werden.
Die Autoimmunhepatitis (AIH) verursacht meist unspezifische Symptome. Sie ist oft mit anderen Autoimmunkrankheiten verbunden. Eine sichere Diagnose kann mit Hilfe einer Leberpunktion gestellt werden, so Dr. Jochum. Zur Therapie werden Prednisolon, Budesonid und zur Langzeitbehandlung Azathioprin eingesetzt. Dr. Jochum betonte, dass die Behandlung mindestens zwei Jahre fortgeführt werden sollte. Ziel ist die Normalisierung der Leberwerte, um ein Fortschreiten der Erkrankung bis zur Zirrhose zu verhindern. Wenn die Medikamente nicht ausreichend wirken, gibt es weitere Präparate, die eingesetzt werden können (z.B. Cyclosporin, Tacrolimus, Mycophenolat/MMF, Cyclophospamid, Rapamycin).
Die Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) tritt häufig bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung auf. Sie wird oft erst spät diagnostiziert. Die typischen Veränderungen der Gallengänge können mit einer endoskopischen Untersuchung festgestellt werden. Bisher gibt es keine Standardtherapie für die PSC, so Dr. Jochum. Es kann UDCA gegeben werden. In der Erprobung sind Fibrate, Antibiotika (Vancomycin) sowie Stuhltransplantationen. Das Medikament norUDCA befindet sich in Phase III der Zulassungsstudie, es besteht Hoffnung, dass es im kommenden Jahr für die Behandlung der PSC zur Verfügung steht.
Schwer zu fassen: die akute hepatische Porphyrie
Dr. Benckert informierte in ihrem Vortrag über die hepatische Porphyrie. Die Porphyrien sind eine Gruppe von genetisch bedingten seltenen Stoffwechselstörungen, bei denen die Bildung des Häm gestört ist, das für den roten Blutfarbstoff benötigt wird. Akute Symptome der hepatischen Porphyrie sind z. B. starke Bauchschmerzen, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Erbrechen, es kann zu Schwäche, Lähmungen und Verwirrtheit kommen. Neben den akuten Symptomen während eines Krankheitsschubs können sich auch chronische Symptome entwickeln, z. B. chronische Nieren- und Lebererkrankungen, chronische Neuropathie, Schmerzen und Müdigkeit. Die Blutwerte sind meist unauffällig, Bildgebung ist für die Diagnose nicht hilfreich, so Dr. Benckert.
Das Problem sei, dass die Symptome auch auf andere, deutlich häufiger auftretende Erkrankungen hinweisen können, so Dr. Benckert. Ein Hinweis auf eine hepatische Porphyrie ist sich rot verfärbender Urin. Bei einer Urin-Untersuchung lassen sich vermehrt toxische Zwischenprodukte der Häm-Synthese nachweisen.
Die Behandlung eines akuten Schubs der hepatischen Porphyrie besteht zunächst darin, möglichst den auslösenden Faktor abzustellen und die Schmerzen zu behandeln. Außerdem kann die Gabe von Glukose die Beschwerden lindern. Eine Behandlung mit Häm(Hemin) ist häufig mit Nebenwirkungen verbunden.
Neues Medikament zur Vorbeugung von Porphyrie-Attacken
Um weiteren Schüben vorzubeugen, sollten auslösende Faktoren wie radikale Diäten, Rauchen, starker Alkoholkonsum, bestimmte Medikamente oder Stress möglichst vermieden werden. Bei Infektionen, Operationen oder Hormonschwankungen durch den weiblichen Zyklus ist dies nicht ohne weiteres möglich. Bis vor einiger Zeit waren die Gabe von Hormonen oder der Off-Label-Einsatz von wöchentlichen Häm-Gaben und im Extremfall eine Lebertransplantation die einzigen Behandlungsmöglichkeiten. Im März 2020 wurde in der EU das Medikament Givosiran zur vorbeugenden Behandlung der hepatischen Porphyrie zugelassen.
Covid-19-Impfung für Leberkranke empfohlen
Dr. Demir informierte abschließend zur Impfung gegen Covid 19. Sie wies darauf hin, dass bei PatientInnen mit chronischen Lebererkrankungen eine Covid-Infektion zu schweren Krankheitsverläufen führt. Sie betonte, dass PatientInnen mit chronischen Lebererkrankungen oder Porphyrie sich gegen Covid 19 impfen lassen sollten und bereits Geimpfte die Möglichkeit einer Booster-Impfung wahrnehmen sollten.
Nach einer Pause wurde die Veranstaltung in drei Workshops fortgesetzt: Zu den Themen „Ernährung bei Lebererkrankungen“, „Autoimmune Lebererkrankungen“ und „Hepatische Porphyrie‘“ konnten die TeilnehmerInnen in kleinen Gruppen persönliche Fragen direkt mit den ExpertInnen besprechen.