Am 23. November 2024 lud der Berliner Leberring e.V. gemeinsam mit der Charité und dem Porphyriezentrum am Klinikum Chemnitz zu einem Infotag zu den seltenen Porphyrie-Erkrankungen ein. Im Hörsaal am Charité-Campus Benjamin Franklin informierten Experten zu den neuesten medizinischen Erkenntnissen
Sabine v. Wegerer, Vereinsvorsitzende des Berliner Leberring e.V., Prof. Rajan Somasundaram, Leiter der Zentralen Notaufnahme am Charité-Campus Benjamin Franklin und Prof. Ulrich Stölzel, Leiter des Porphyriezentrums Chemnitz, begrüßten die Teilnehmenden.
Prof. Ulrich Stölzel gab im ersten Vortrag des Tages einen Überblick über die Porphyrie-Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten.
Die verschiedenen Gesichter der Porphyrie
Bei den seltenen Porphyrie-Erkrankungen ist die Synthese des Häm gestört, eines Bestandteils des roten Blutfarbstoffs. Das Häm wird in der Leber oder im Knochenmark gebildet. Je nachdem, welches der acht beteiligten Enzyme gestört ist, entstehen die verschiedenen Porphyrie-Formen mit ihren unterschiedlichen Symptomen.
Die akuten hepatischen Porphyrien äußern sich oft in heftigen Bauchschmerzen, können aber auch zu weiteren Symptomen wie hohem Blutdruck, Verwirrtheit und Lähmungen führen. Manche Patienten haben nur eine oder zwei Attacken im Leben, manche kennen die möglichen Auslöser eines Schubs und können diese meiden (z.B. Fasten, Stress, bestimmte Medikamente wie Novalgin oder die Pille, Johanniskraut oder Schwedenkräuter). Andere leiden immer wieder unter schweren Krankheitsschüben. Seit 2018 gibt es ein Medikament (Givosiran), das direkt in die Häm-Synthese eingreift. Die Attacken gehen unter der regelmäßigen Gabe des Medikaments signifikant zurück, so Prof. Stölzel.
Die Porphyria cutanea tarda entwickelt sich oft erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter. Sie ist häufig mit einem Leberschaden assoziiert. An lichtexponierten Hautstellen können sich schmerzhafte Blasen bilden. Bei dieser Porphyrie-Form kann ein erhöhter Eisenspiegel entstehen, hier hilft ein Aderlass.
Die Betroffenen von Erythropoetischen Protoporphyrien leiden unter einer sehr schmerzhaften Lichtempfindlichkeit. Diese Erkrankung zeigt sich meist schon im Kleinkindalter, im Krankheitsverlauf kann auch die Leber geschädigt werden. Der Wirkstoff Afamelanotid senkt die Lichtempfindlichkeit, in Deutschland kann das Medikament (Scenesse) im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verschrieben werden.
Der Wirkstoff Bitopertin wird demnächst in der 3. Studie geprüft. Er verbessere die Lichtempfindlichkeit, die Leber könne sich unter der Behandlung erholen, so Prof. Stölzel.
Bei allen Porphyrie-Formen wird ab einem Alter von ca. 50 Jahren eine regelmäßige Ultraschall-Untersuchung der Leber empfohlen, um sich eventuell bildende Krebsherde frühzeitig zu entdecken, so Prof. Stölzel.
Porphyrie-Betroffene in der Notaufnahme
Prof. Rajan Somasundaram schilderte in seinem Vortrag die Abläufe in einer Notaufnahme. Seine Ratschläge für Porphyrie-Patienten, die eine Notaufnahme aufsuchen müssen:
- Kommen Sie möglichst früh bei einem beginnenden Schub
- Bringen Sie Ihre medizinischen Unterlagen mit: Arztbriefe, den Notfallausweis, Telefonnummern von Ihren behandelnden Experten, die Medikamentenliste
- Haben Sie aber auch Verständnis für die Abläufe in der Notaufnahme
- Wenn Sie starke Schmerzen haben, bitten Sie das medizinische Personal um eine effektive Schmerztherapie
Das Deutsche Porphyrie-Register
Dr. Lea Gerischer von der Klinik für Neurologie an der Charité Berlin stellte das Deutsche Porphyrie Register vor. Es ist ein nationales Register, das von einem Netzwerk von spezialisierten Zentren angelegt wurde. Beteiligt sind bislang Zentren aus Hamburg, Göttingen, Berlin und Chemnitz.
Verzeichnet werden Daten von Porphyrie-Betroffenen im Verlauf der Erkrankung wie z. B. der Zeitpunkt der Diagnose, Symptome, Untersuchungsergebnisse, die Behandlung mit Medikamenten. Außerdem erhalten die Patienten Fragebögen zur Lebensqualität.
Solche Register seien besonders für seltene Erkrankungen wichtig, betonte Dr. Gerischer. Sie sollen eine Übersicht über die Häufigkeit und unterschiedliche Verläufe von Erkrankungen sowie über mögliche Therapien und eventuelle Nebenwirkungen geben. Und so dazu beitragen, die Behandlung der Patienten zu verbessern. Wer sich eintragen lassen möchte, sollte das in der Porphyrie-Sprechstunde ansprechen.
Einige Medikamente können einen Schub auslösen
Nils Wohmann vom Porphyriezentrum Chemnitz informierte zum Umgang mit Medikamenten. Für Porphyrie-Betroffene sind manche Wirkstoffe eher schädlich als hilfreich und können einen Schub auslösen beziehungsweise verschlimmern. Auf der Website drugsporphyria.net findet man eine Liste mit sicheren Medikamenten sowie eine Liste, in der populäre Medikamente aufgelistet und in Bezug auf die Sicherheit für Betroffene mit akuten Porphyrien bewertet werden. Man kann auch nach bestimmten Wirkstoffen oder den Handelsnamen von Medikamenten suchen.
Nils Wohmann riet ausdrücklich zur Vorsicht bei hochdosierten alternativen Präparaten wie Kräutern, Nahrungsergänzungsmitteln oder medizinischen Tees. Im Zweifelsfall sollte man seinen Arzt oder das Porphyriezentrum kontaktieren. Er betonte, dass in Notfällen alle Medikamente eingesetzt werden können – unter dem Schutz einer Hämarginattherapie.
Neue Methode zur Untersuchung der Leber
Dr. Rolf Otto Reiter, Facharzt für Radiologie am Charité-Campus Benjamin Franklin, berichtete über die MR Elastographie der Leber, eine noch relativ neue Untersuchungsmöglichkeit, die bisher nur in wenigen Zentren verfügbar ist. Während bei einer Leber-Biopsie oder auch bei der Fibroscan-Untersuchung nur ein kleiner Teil des Lebergewebes untersucht werden kann, wird bei der Elastographie die gesamte Leber dargestellt. Die Leber wird dabei mit mechanischen Wellen „abgetastet“ Dieser Vorgang wird in zahlreichen MRT-Aufnahmen aufgezeichnet und dann ausgewertet. In Zukunft soll nicht nur der Grad der Steifigkeit des Lebergewebes sondern auch eine vorhandene Entzündung dargestellt werden können.